Bürokratie und Alltag
Ein Gespräch mit Karina Halbauer, Felix Schwager, Dirk Teschner und Klaus Tkacz
über temporäre Kulturräume, städtische Kulturkonzepte und unfreiwillige Sozialarbeit
Die freie Kulturszene in Erfurt scheint seit einiger Zeit, mobil zu machen. Es
entwickeln sich neue Orte und Veranstaltungskonzepte, der städtische Raum
wird okkupiert, wie bei der Räuberwiese oder der Fête de la Musique. Und ein
Teil der Kulturszene verläßt die Altstadt und siedelt sich, temporär oder
dauerhaft, in den Gründerzeitvierteln an. Man denke an Ladebalken, Klang-
gerüst oder die Projekte im Alten Innenministerium. Andererseits scheint die
Zusammenarbeit zwischen der freien Kulturszene und der Stadtverwaltung,
nicht zuletzt durch die Installierung des Koordinators für die freien Träger,
immer besser zu funktionieren, zuletzt bei der Wiedereröffnung des Hauses
Dacheröden. Könnt ihr diese Entwicklungen bestätigen und wo seht ihr die
Gründe dafür?
Tkacz: Wir belegen ja mit der Theaterfirma viele Räume im öffentlichen oder halb-
öffentlichen Raum und eins ist klar: Die Räume werden knapper. Es wird vermehrt
gebaut, egal ob das der Kornspeicher in der Ackerhofsgasse oder etwas anderes
ist, und dadurch verschwinden viele Freiräume. Die Wahrnehmung ist natürlich
auch eine andere und hängt davon ab, wie stark solche neuen Projekte publik ge-
macht werden. Dadurch wird vielleicht manches erst entdeckt, das vor drei Jahren
noch ohne Werbung in Nischen stattfand. Dazu kommt, daß die Baulücken so gut
wie alle gefüllt sind, die Innenstadt geglättet ist und es dann stärker auffällt, wenn
eine noch vorhandene Lücke besetzt wird. Und: Die städtischen Räume werden
teurer und es gibt höhere Auflagen dafür. Andererseits, jetzt wurde das Haus
Dacheröden wiedereröffnet, da entsteht auch wieder die Möglichkeit für einen
Kulturraum. Das ist ein tolles Angebot der Stadt.
Halbauer: Ich würde schon sagen, daß die Stadt in bestimmten Punkten auf uns
zugeht. Ein gutes Beispiel ist der »Kunstrasen«, eine Veranstaltung, die im August
auf einer Brachfläche am Nordbahnhof stattfand. Die Leute sind auf die Stadt-
verwaltung zugegangen und haben dort sehr schnell und unkompliziert
Unterstützung bekommen. sind natürlich so Leuchtpunkte, aber da gibt’s natürlich
noch ganz viele Schwierigkeiten mit der Verwaltung.
Teschner: Das Problem ist: Wenn neue Räume entstehen, werden alte geschlossen.
Das Alte Innenministerium ist seit drei Monaten zu, die Galerie 7a ist in einem Monat
weg. Räume, die wichtig waren, sind plötzlich wieder verschwunden. Aber eigentlich
müßten ja neue Räume zusätzlich zu den alten entstehen. Was ich dabei sehr
wichtig finde, ist, daß vieles von dem, was gerade passiert, ohne Zutun der Stadt
entstanden ist, ohne Förderung oder Bereitstellung von Räumen. Es gibt zwar seit
einem Jahr einen Dialog zwischen freier Kulturszene und Stadt und mit Marcus
Welther einen Ansprechpartner in der Stadtverwaltung für freie Projekte, aber jetzt
wird es Zeit für Ergebnisse. Und die Diskussion um ein neues Kulturkonzept dauert
nun schon über ein Jahr, und es hat kaum noch jemand Lust, sich daran zu beteiligen.
Und auf den neuen Kulturdirektor bin ich auch gespannt. Ich hoffe, daß es kein
Verwaltungsbeamter sein wird.
Stichwort Kulturkonzept. Klaus, du warst zu Beginn des Prozesses als Vertreter
der freien Kulturszene Mitglied der Arbeitsgruppe (AG) Kulturkonzept. Wie hast
Tkacz: Am Anfang ist ein Problem dieses Kulturkonzeptes gewesen, daß niemand
wußte, wie man ein solches Konzept für einen lebendigen Raum erarbeitet, welche
Strukturen für diesen Prozeß notwendig sind. Und lebendig heißt auch, daß sich so
etwas entwickelt und daß man in diese Entwicklung hinein muß. Das heißt, mit
vielen Leuten gleichzeitig kommunizieren, was natürlich für zehn Personen, aus
denen die Arbeitsgruppe besteht, gar nicht zu leisten ist. Und das wurde dann auch
schnell klar und wurde auch mit dem öffentlichen World-Café-Forum im August
2009 aufgegriffen. Das wäre für mich der Ansatz, wie ein Kulturkonzept entstehen
kann. Indem man sich vielleicht monatlich im großen Kreis trifft, um dann irgend-
wann zu merken: Ok, ich habe hier Vertreter, die mich dann zwischendurch auch
vertreten, und ich finde auch meine Ideen wieder. Und ich als Freischaffender
mußte mir dann einfach auch eingestehen, daß ich nicht die Zeit habe, jede
Woche mindestens zwei Interessengruppen zu besuchen, um zu erfahren, was
verlangt ist.
War das auch der Grund, weshalb du aus der AG ausgetreten bist?
Tkacz: Ja, weil meiner Forderung, das aufzuteilen, dann eben nicht nachgegeben
wurde. Das heißt, ich wollte noch zwei Vertreter, damit wir uns abwechseln können,
weil ich es allein nicht leisten konnte.
Verfolgt ihr die Entwicklung des Kulturkonzeptes?
Teschner: Ich hab es ja vor einiger Zeit kommentiert und Vorschläge unterbreitet.
Daraufhin gab es ja auch eine Reaktion vom Leiter der AG, Dr. Wolfgang Beese.
Dann wurden ja bestimmte Dinge weiterentwickelt und jetzt gibt es neue Vorschläge.
Daran merkt man, wie zäh das Ganze ist. Mein Problem dabei ist, daß ich nicht
weiß, wie man Vorschläge und Kritiken äußern kann, die dann auch aufgenommen
werden. Ich hab mich zum Beispiel hingesetzt und ein Papier dazu geschrieben und
sehe nun in dem neuen überarbeiteten Vorschlag der AG, daß da kaum etwas
davon aufgegriffen wurde. Wenn andere das auch so machen und dann sehen,
daß ihre Vorschläge nicht aufgenommen werden, dann heißt das doch, daß die
kleine AG das Konzept alleine macht, und das geht eigentlich so gar nicht.
Schwager: Ich hab die Entwicklung entfernt in der Presse verfolgt und ich denke,
daß das nicht funktioniert, wenn da nach einem Jahr nichts dabei herauskommt.
Und das liegt sicher auch an der Herangehensweise. Es ist eben mit einem
Internetforum nicht getan. Ich habe den Eindruck, daß da wirklich der Input von
außen fehlt. Ich weiß auch nicht, ob man sich mit dem Kulturkonzept für die
ganze Stadt Erfurt nicht zuviel vorgenommen hat. Ich persönlich bin immer mehr
auf Projektarbeit gedrillt. Also es gibt ein Projekt, es gibt ein Ziel, es gilt etwas zu
machen, so entsteht etwas.
Teschner: Es ist eben auch ein Expertentreffen und keine AG von Vertretern. Das
hat natürlich etwas mit dem Politikverständnis zu tun. Normalerweise müßte es ja
so sein, daß die jeweiligen Vertreter in einem ständigen Diskussionsprozeß mit der
Gruppe oder den Parteimitgliedern stehen, die sie vertreten, und das dann wieder
in die AG tragen. Die Wirklichkeit ist im Moment aber so, daß sie als Experten, als
die sie in der AG sitzen, das aufschreiben und diskutieren, was sie selber denken.
Und das ist etwas ganz anderes. Ob sich durch die jetzt stattfindenden Podien zu
den Handlungsfeldern etwas ändert, bleibt abzuwarten. Daß es auch anders
funktioniert, haben Dresden, Freiburg und Linz gezeigt, und das haben wir auch
im Vorfeld schon gesagt. Dort haben hunderte Gruppen an dem Kulturkonzept
gearbeitet, da wurden Fragebögen an alle Haushalte verschickt und jeder Bürger
hatte die Möglichkeit, sich zu äußern.
Neben dem Kultur-Leitbild wurden zuletzt auch vier Handlungsfelder im
Internetforum veröffentlicht.
Schwager: Das ist ja genau das. Ich habe davon nichts mitbekommen. Das liegt
vielleicht auch daran, daß von der Seiten derer, die dieses Forum betreiben, das
in keiner Weise forciert wird. Und wenn man dann nicht zufällig darauf stößt, be-
kommt man es gar nicht mit. Ich glaube, daß es in Erfurt schon das Potential gibt
und an verborgenen Stellen auch die Leute, die das nötige Wissen haben. Aber
die müssen halt auch angesprochen werden.
Tkacz: Als ich in die AG hineinkam, hatte ich eine Vision. Ich habe selber jahrelang
bei der Stiftung Weimarer Klassik erlebt, wie es funktionieren kann. Dort gab es
jemanden, der hatte zwar kein Geld für uns, aber der hat gesagt: Ich versuche,
alles möglich zu machen, damit ihr arbeiten könnt. Das war wunderbar. Und mein
Vorschlag für Erfurt war: Bevor wir anfangen, ein Kulturkonzept zu machen, ver-
passen wir jedem städtischen Beamten, ob beim Friedhofsamt oder bei der Stad-
tentwicklung erst einmal einen Aufkleber: Ich bin ein Teil der Kultur und fördere sie.
Wenn ich dann auf irgendein Amt gehe und ein Anliegen habe, kann ich mich
immer darauf berufen: Da klebt der Aufkleber und jetzt schauen wir, daß es um-
gesetzt werden kann.
Im Handlungsfeld »Starke Wirtschaft, starke Kultur« ist explizit die kommunale
Förderung von kultur- und kreativwirtschaftlichen Projekten vorgesehen.
as erwartet Ihr Euch von einer Förderung der Kreativwirtschaft – und wie kann
diese aussehen?
Tkacz: Ein wunder Punkt ist natürlich, wenn die Stadt irgendwelche Gebühren-
satzungen erläßt für Räumlichkeiten, die man nutzen will, und gleichzeitig aber
die Förderung zurückfährt. Ein Beispiel: Wir bekamen vor drei Jahren 3.000 Euro
Förderung für »Don Quichotte« und haben davon 2.000 Euro Miete für den
Innenhof der Musikschule an die Stadt bezahlt und noch einmal 1.000 Euro für
die Bewachung. Also, wir haben eigentlich nichts weiter gefördert bekommen,
als die mietfreie Nutzung des Hofes. Das wäre natürlich alles viel einfacher ge-
gangen, allein über der Abrechnung saß ich eine Woche. Und das ist einfach
unkreativ, das nimmt einfach jede Lust, mit einem städtischen Partner zu arbeiten.
Wenn es um Kreativwirtschaft geht, dann geht es auch immer darum, daß man
auf einfachem Weg miteinander kommunizieren kann. Wenn es also ein Licht-
banner auf der Straße geben soll, könnte die Stadt auch sagen, macht das mal,
und wenn es ein Problem gibt, dann kümmern wir uns dann darum. Im Moment
funktioniert es genau andersherum. Ich bekomme von den Ämtern erst einmal
alle Probleme aufgezählt, die auftreten könnten. Und wenn ich die alle aus dem
Weg geräumt habe, dann kann ich wieder mit meiner Idee kommen.
Teschner: In dem Papier werden als Kooperationspartner, mit denen in Zukunft
enger zusammen gearbeitet werden soll, der Zughafen für den Musikbereich und
die »artthuer« für die Bildende Kunst genannt. Mit dem Zughafen arbeiten wir ja
auch eng zusammen, aber es gibt ihn schon längst als gut funktionierenden
Musikbetrieb. Es geht aber darum, Neues zu entwickeln – Musikbüros zu schaffen,
Häuser für Proberäume und neue Labels. Und auf dem Gebiet der zeitgenössischen
Kunst ist es ein Witz gerade eine Kunsthandwerksmesse, die über Thüringen hinaus
überhaupt keine Rolle spielt, als zukunftsweisend zu nennen. Die Stadt sagt einer-
seits, daß sie immer weniger Geld hat, was ja auch stimmt, und andererseits gibt es
immer weniger geeignete Räume. Also, wie soll die Stadt ohne Geld und ohne
Räume dann die Kreativwirtschaft fördern? Da fällt mir nur eine bessere
Kooperationsbereitschaft der Ämter ein.
Schwager: Wenn man wirklich eine lebendige Kulturszene schaffen will, ist dieser
eine Mitarbeiter natürlich völlig überfordert. Wir als Galerie 7A versuchen, uns soweit
wie möglich da heraus zu halten. Die Stadt kann sich gerne mit uns schmücken, das
ist mir egal, aber wir haben kein Interesse, uns mit den ganzen Ämtern herum-
zuschlagen. Da läuft dann natürlich vieles illegal, aus Sicht der Stadt. Aber das macht
es für uns einfacher, Sachen umzusetzen, ohne vorher eine Woche lang durch die
Ämter zu gehen und zu versuchen, eine Genehmigung zu bekommen.
Im Handlungsfeld »Stadt-Raum« ist auch von der Entwicklung und der Unter-
stützung von Kulturräumen für neue Kulturinitiativen und einer Neukonzeption
des Bereiches »Kunst im öffentlichen Raum« die Rede. Welche Unterstützung
erwartet Ihr zukünftig von der Stadt hinsichtlich der Raumsituation?
Halbauer: Die Genehmigungsverfahren der Verwaltung müssen, gerade für junge
Menschen, die eine Idee haben, erleichtert werden, die wissen gar nicht, wo sie
hingehen sollen. Die Leute von der Galerie 7A haben am Anfang erst mal losgelegt,
um zu zeigen: Ich will jetzt etwas tun. Und dann setzen die Probleme ein, und an
der Stelle müßte die Stadt sagen: Ok, Ihr habt angefangen und wir unterstützen
euch und legen euch keine Steine in den Weg. Aber ich glaube auch, daß be-
stimmte Leute auch die Wege durch die Ämter gehen müssen, um für die Nach-
folgenden den Weg einfacher zu machen.
Tkacz: Im Moment gibt es zwei Fraktionen: den politischen Willen und den selbst-
lebenden Verwaltungsapparat. Aber der politische Wille muß über dem Verwaltungs-
apparat stehen, muß ihn durchdringen, und das muß man spüren.
Schwager: Es muß ja auch nicht immer alles von der Stadt getragen werden. Ich
hab da auch gar kein Interesse. Wenn es sich professionalisiert und größer wird,
dann kann man durchaus auch die Wirtschaft oder Stiftungen ansprechen. Je
größer der Partner im Hintergrund wäre, desto größer wäre auch der Druck auf
die Stadt, wenn etwas genehmigt werden müßte. Oder auch Kooperationen über
Erfurt hinaus, mit anderen Städten. Wenn es da läuft und nur in Erfurt nicht, ist
das einerseits schlecht für die Stadt, andererseits gut für uns. Dann gehe ich eben
wieder weg.
Mit dem Café April und danach mit der Galerie 7A ist seit letztem Jahr ein
hochfrequentierter Ort für zeitgenössische Kunst entstanden. Was denkst
du, Felix, welche Lücke habt ihr besetzt?
Schwager: Die Lücke heißt: jung sein – dabei sein. Die Kunst stand ja am Anfang
nicht im Vordergrund. Das Café April war ja eher ein alternativer Treffpunkt für
junge Leute, die die Räumung des besetzten Gelände zu verkraften hatten. Es
fanden Konzerte, Ausstellungen und Parties satt. Als neue Raumnutzer haben
wir uns dann entschieden, aus dem Café eine Galerie für zeitgenössische Kunst
zu machen. Das hat sich alles sehr schnell herumgesprochen. Die meisten
Leute kommen, weil sie das Café April kannten oder gehört haben, daß bei den Ausstellungseröffnungen was los ist, vielleicht auch aus Mangel an Alternativen.
Ein großer Vorteil ist natürlich die zentrale Lage.
Halbauer: Die Suche nach alternativen Räumen war der Anfangspunkt. Nach der
Räumung des Besetzten Hauses im April 2009 war ja ’ne Menge Aufruhr – und
dann war das Café April da: Underground, aber mitten in der Stadt! Und dann
dahin. Das hatte so was Revoluzzermäßiges, und die Leute wollten sich daran
beteiligen. Wichtig ist, daß die Leute durch so etwas Anregungen für ihre eigenen
Sachen bekommen, daß man so kleine Leuchttürme schafft und das Gefühl hat,
das kann funktionieren. Auch wenn es da erst einmal nur um Party geht, aber da
schwingt immer auch mehr mit.
Dirk, Du hast nun in diesem Jahr zum zweiten Mal die Kunstlawine im Alten
Innenministerium mitveranstaltet. Der Ort, der auch für viele temporäre Kultur-
projekte und Veranstaltungen genutzt worden ist, lag außerhalb der Altstadt
und hatte ja ein gewisses urbanes Flair. Nun wird er saniert. Wie fällt Dein
Fazit nach zweijähriger Nutzung aus?
Teschner: Es war insgesamt ein Erfolg und zeigte, welches Potential da ist und
an solchen Orten wachsen kann. Es gab großartige Ausstellungen, Konzerte,
durchtanzte Nächte, Vorträge, Filme und Theateraufführungen. Ateliers in Größen,
die es woanders in Erfurt nicht gibt, für unfaßbar geringe Mieten machten für
einige Monate aus einem Teil des Innenministeriums ein Kreativhaus. Das Projekt
begann ja auch kurz nach der Räumung des Besetzten Hauses, was dann un-
bewußt wie ein Puffer gewirkt hat und was natürlich auch Probleme mit sich brachte,
weil die Polizei dachte, hier würde ein neues Haus besetzt. Das Projekt kam ja
ohne städtische Unterstützung zustande, weil die privaten Besitzer mit der
kulturellen Nutzung für das Haus werben wollten, und das hat ja auch funktioniert.
Dazu kam: Man mußte neben professioneller Galeriearbeit auch Kulturarbeit,
Jugendarbeit und Sozialarbeit machen. Plötzlich kamen ganz viele Leute, die sich
gar nicht für Kunst interessierten. Die fanden den Raum klasse, Musik, Party usw.,
und wollten einfach mal die Sau rauslassen. Es gab unschöne Dinge, Bilder
wurden geklaut und anderes. Und da merkt man, daß es hier in der Stadt an
Räumen fehlt. Und darum konzentriert sich das alles an solchen Orten.
Karina, Ihr habt mit dem Projekt Ladebalken auch die Altstadt verlassen und
macht Eure Projekte vor allem im Norden der Stadt, rund um die »Stube« in
der Magdeburger Allee. Was gab den Ausschlag?
Halbauer: Wir wohnen dort. Der Norden hat so einen ganz bestimmten Spirit. Und
wir haben die Potentiale dort gesehen, in der Architektur, aber auch in der Lebens-
kultur, und möchten mit Plattform e. V. und Ladebalken Anregungen und Möglich-
keiten geben, sich dorin irgendeiner Form auszulassen. Wir wollen aber auch nicht,
daß sich alles nur auf die Magdeburger Allee konzentriert. Wir haben ja das Konzept
des Ladenhoppings und der Brachflächenneunutzung, daß junge Leute leerstehende
Ladenlokale oder eben Brachflächen im Erfurter Norden temporär bespielen können.
Aber die Besitzer sagen oft, daß sich der Aufwand für zwei Monate nicht lohnen
würde. Schön wäre, wenn sie durch die »Stube« mitbekämen, daß es funktioniert
und daß der Laden dadurch attraktiv wird.
Seht Ihr derzeit eine Tendenz der Kulturschaffenden, aufgrund der knapper
werdenden Räume in der Innenstadt einfach in den Norden zu gehen?
Teschner: Es gibt dort bestimmte Ecken, die sind urbaner, haben Kiezcharakter,
wo man aus der Enge der Altstadt heraus kann und wo es ein bißchen größer ist.
Andererseits gibt ja auch in anderen Städten schon wieder eine gegenläufige
Tendenz. Seit 15 Jahren sind im Osten die Innenstädte aufgehübscht worden, die
Mieten sind gestiegen und die Subkultur ist langsam in die Randbezirke vertrieben
worden. Und jetzt gibt es Initiativen, die sagen: Wir gehen jetzt wieder in die Innen-
städte, wir gehören dahin! In Erfurt haben wir das Beispiel Brühler Garten, wo in
diesem Jahr das erste Mal mit der Fête de la Musique und der Räuberwiese etwas
Selbstorganisiertes stattgefunden hat, und dann alle gesagt haben: Das ist doch
super! Warum passiert das erst jetzt? Im Mauerpark in Berlin, da wird nichts be-
antragt, sondern da gehen die Leute jede Woche mit Batterie und Turntables hin
und legen einfach Platten auf und haben sich so den Ort angeeignet. Im Brühler
Garten könnte das auch funktionieren – ohne Anmeldung. Wenn man es organisiert,
kommen auch viele Leute. Aber hier ist es nicht so, daß sie das von sich aus
einfach tun. Man müßte ausrufen: Das ist unser Platz, und da gehen wir jetzt jedes
Wochenende hin.
Interview: Thomas Putz
»Diskussion der Kulturkonzept-Handlungsfelder:
»Tradition und Zukunft« (27.09., Haus Dacheröden),
»Stadt-Raum« (28.09., Stadtgarten),
»Starke Wirtschaft, starke Kultur« (30.09., IHK),
jeweils 19 Uhr, Infos: www.kulturkonzept-erfurt.de
–
Karina Halbauer: unterstützt über den Plattform e. V. und dessen Projekt Ladebalken
unge Kulturinitiativen und organisiert u. a. die Kurzfilmwanderung. www.ladebalken.info
Felix Schwager: Mitinitiator und Mitbetreiber der Galerie 7A in der Erfurter Johannesstraße,
Dirk Teschner: Journalist und Ausstellungsmacher, Kurator im Kunsthaus Erfurt und
verschiedener Ausstellungen im Alten Innenministerium in Erfurt
Klaus Tkacz: Schauspieler und Mitbegründer der Theaterfirma, u. a. szenischer Stadt-
rundgang »Erfurter Sagen bei Nacht«.
gutgut. weiter machen.
AntwortenLöschendabei sein. frei sein!
beste grüße
aus PORTUGAL